Kann den Piepen Sünde sein?
Piepen. Überall piepen. Das Handy, die Mikrowelle, das Auto. Überall piept es. Doch was will uns das Piepen sagen?
Die akustischen Signale vieler Geräten haben eine primäre Funktion: unsere Aufmerksamkeit auf das Gerät und die oft visuell dargestellte Information zu lenken. Eine zunächst einmal vollkommen legitime und adäquate Funktionalität.
Mancherorts dient das Piepen der Bestätigung einer Eingabe oder es enthält die Mitteilung, dass das Essen erwärmt wurde – obwohl viele Mikrowellen eher alarmierend als appetitanregend klingen. Allzu oft muss jedoch erst wieder das Auge bemüht werden, bevor die eigentliche Information wahrgenommen werden kann.
Mitunter dienen das Piepen auch nur der allgemeinen Warnung, einer Re-Fokussierung der Aufmerksamkeit bei potentieller Ablenkung. So auch beim neuen Assistenzsystem, das Mercedes Benz soeben in der B-Klasse vorgestellt hat:
Der Piepton alarmiert den Fahrer, dessen Aufmerksamkeit damit (hoffentlich) auf die Fahrbahn und damit auf das Hindernis gelenkt wird. Doch die explizite Information "Warnung: Kollision!" scheint im Klang selbst nicht enthalten zu sein. Möglicherweise auch deshalb, weil der Alarmton sich nicht eindeutig von anderen Warntönen unterscheidet, und diese Bedeutung vom Fahrer daher nicht "gelernt" werden kann?
Zugegeben, es scheint in dieser Situation völlig ausreichend, den Fahrer allgemein zu "warnen". Doch wäre eine spezifischere Kommunikation unmöglich?
(Der kleine Junge zu Anfang des Spots scheint die Bedeutung schon verinnerlicht zu haben. Er wechselt mit traumwandlerischer Sicherheit die Richtung, wenn er durch ein Piepen auf ein Hindernis aufmerksam gemacht wird. Warum er nicht anhält, oder seine Richtung nach der Quelle des Piepen – offensichtlich die Dame seines Herzens – neu ausrichtet, muss an dieser Stelle Spekulation bleiben. Ebenso wie die ausbleibende Reaktion der weiblichen Beifahrerin.)
Intelligentes Sound Design in Interfaces – eine Ausnahme?
Eine der intelligenteren und vielzitierten akustischen Anwendungen ist die Einparkhilfe, die über die Wiederholungsrate eines Tones dem Fahrer mitteilt, wieviel Platz noch zu umgebenden Hindernissen besteht. Diese Sonifikation entlastet den Fahrer, weil die Information keiner visuellen Komponente Bedarf und die Augen so auf die Umgebung fokussiert bleiben können. Es sei denn natürlich, die Einparkhilfe wird von einer aufwendigen Displaydarstellung begleitet, die die Aufmerksamkeit auf sich lenkt.
Es stellt sich ganz allgemein die Frage, ob beim akustischen Design von Interfaces nicht noch großes Potential besteht. Schließlich muss es nicht immer ein Piepton sein. Ein intentional gestalteter Klangimpuls kann viel mehr Informationen vermitteln:
Eine Abstufung der Dringlichkeit etwa über die Klangfarbe, die Lautstärke oder das Tempo eines Pulses wäre möglich. Oder eine Differenzierung der mitgeteilten Information, durch die exklusive Belegung dieser Mitteilung mit einem bestimmten Klang.
All dies kann und soll visualisierte Informationen nicht vollständig substituieren. Es scheint jedoch Spielraum zu geben, akustische Signale im Interaction Design intelligenter einzubinden.
Selbstverständlich kann hier auch das Sound Branding relevant werden. Sollte ein Premiumfahrzeug der Marke Mercedes auch in seinen Assistenzsystemen anders klingen als die Konkurrenz? Oder ist aus Gründen der Sicherheit beim Marken- bzw. Fahrzeugwechsel in allen Fahrzeugen das gleiche Muster anzuwenden? Welche Spielräume existieren und wo liegen die Grenzen, an denen ein funktionaler Klang beginnt, durch seine Gestaltung die Aufmerksamkeit auf sich selbst und nicht mehr auf die mitzuteilende Information zu lenken?
Viele dieser Fragen scheinen derzeit noch offen zu sein. Die Gestaltung von Klängen hingegen schreitet ständig voran – wobei die Zielgruppen dies nicht immer auch als einen qualitativen Fortschritt wahrnehmen.
Die Frage des Klangs der Elektromobilität polarisiert bisweilen. Zu recht mag man meinen, hört man etwa das "Toyota Prius Vehicle Proximity Notification System":
Dieser Klang, der in seiner Art typisch für Automobile und zugleich zukunftsweisend sein soll, erzeugt nicht nur Orientierung im Straßenverkehr, sondern auch Ablehnung wie die Berichterstattung zeigt.
In der Tat stellt sich die Frage, ob Elektromobilität noch ein Gewinn für die Soundscape urbaner Räume darstellt, wenn mehrere Dutzend dieser Fahrzeuge in Hörweite sind.
Auch hier scheint noch ein großer Gestaltungsspielraum zu bestehen, in dem nicht nur der Corporate Sound einer Marke relevant sein sollte, sondern auch die mittel- und langfristigen Auswirkungen auf die Klanglandschaften unserer Lebensräume.
Es muss nicht immer ein Piepen sein. Auch wenn ein Piepen mitunter besser ist, als gar kein Sound.
Es bleibt zu hoffen, dass die Professionalisierung intentional gestalteter Klänge auch im Interface und Interaction Design fortschreitet und verantwortlich gestaltete Klänge bald so selbstverständlich sind, wie die oft hervorragenden visuellen Designs.
Die akustischen Signale vieler Geräten haben eine primäre Funktion: unsere Aufmerksamkeit auf das Gerät und die oft visuell dargestellte Information zu lenken. Eine zunächst einmal vollkommen legitime und adäquate Funktionalität.
Mancherorts dient das Piepen der Bestätigung einer Eingabe oder es enthält die Mitteilung, dass das Essen erwärmt wurde – obwohl viele Mikrowellen eher alarmierend als appetitanregend klingen. Allzu oft muss jedoch erst wieder das Auge bemüht werden, bevor die eigentliche Information wahrgenommen werden kann.
Mitunter dienen das Piepen auch nur der allgemeinen Warnung, einer Re-Fokussierung der Aufmerksamkeit bei potentieller Ablenkung. So auch beim neuen Assistenzsystem, das Mercedes Benz soeben in der B-Klasse vorgestellt hat:
Der Piepton alarmiert den Fahrer, dessen Aufmerksamkeit damit (hoffentlich) auf die Fahrbahn und damit auf das Hindernis gelenkt wird. Doch die explizite Information "Warnung: Kollision!" scheint im Klang selbst nicht enthalten zu sein. Möglicherweise auch deshalb, weil der Alarmton sich nicht eindeutig von anderen Warntönen unterscheidet, und diese Bedeutung vom Fahrer daher nicht "gelernt" werden kann?
Zugegeben, es scheint in dieser Situation völlig ausreichend, den Fahrer allgemein zu "warnen". Doch wäre eine spezifischere Kommunikation unmöglich?
(Der kleine Junge zu Anfang des Spots scheint die Bedeutung schon verinnerlicht zu haben. Er wechselt mit traumwandlerischer Sicherheit die Richtung, wenn er durch ein Piepen auf ein Hindernis aufmerksam gemacht wird. Warum er nicht anhält, oder seine Richtung nach der Quelle des Piepen – offensichtlich die Dame seines Herzens – neu ausrichtet, muss an dieser Stelle Spekulation bleiben. Ebenso wie die ausbleibende Reaktion der weiblichen Beifahrerin.)
Intelligentes Sound Design in Interfaces – eine Ausnahme?
Eine der intelligenteren und vielzitierten akustischen Anwendungen ist die Einparkhilfe, die über die Wiederholungsrate eines Tones dem Fahrer mitteilt, wieviel Platz noch zu umgebenden Hindernissen besteht. Diese Sonifikation entlastet den Fahrer, weil die Information keiner visuellen Komponente Bedarf und die Augen so auf die Umgebung fokussiert bleiben können. Es sei denn natürlich, die Einparkhilfe wird von einer aufwendigen Displaydarstellung begleitet, die die Aufmerksamkeit auf sich lenkt.
Es stellt sich ganz allgemein die Frage, ob beim akustischen Design von Interfaces nicht noch großes Potential besteht. Schließlich muss es nicht immer ein Piepton sein. Ein intentional gestalteter Klangimpuls kann viel mehr Informationen vermitteln:
Eine Abstufung der Dringlichkeit etwa über die Klangfarbe, die Lautstärke oder das Tempo eines Pulses wäre möglich. Oder eine Differenzierung der mitgeteilten Information, durch die exklusive Belegung dieser Mitteilung mit einem bestimmten Klang.
All dies kann und soll visualisierte Informationen nicht vollständig substituieren. Es scheint jedoch Spielraum zu geben, akustische Signale im Interaction Design intelligenter einzubinden.
Selbstverständlich kann hier auch das Sound Branding relevant werden. Sollte ein Premiumfahrzeug der Marke Mercedes auch in seinen Assistenzsystemen anders klingen als die Konkurrenz? Oder ist aus Gründen der Sicherheit beim Marken- bzw. Fahrzeugwechsel in allen Fahrzeugen das gleiche Muster anzuwenden? Welche Spielräume existieren und wo liegen die Grenzen, an denen ein funktionaler Klang beginnt, durch seine Gestaltung die Aufmerksamkeit auf sich selbst und nicht mehr auf die mitzuteilende Information zu lenken?
Viele dieser Fragen scheinen derzeit noch offen zu sein. Die Gestaltung von Klängen hingegen schreitet ständig voran – wobei die Zielgruppen dies nicht immer auch als einen qualitativen Fortschritt wahrnehmen.
Die Frage des Klangs der Elektromobilität polarisiert bisweilen. Zu recht mag man meinen, hört man etwa das "Toyota Prius Vehicle Proximity Notification System":
Dieser Klang, der in seiner Art typisch für Automobile und zugleich zukunftsweisend sein soll, erzeugt nicht nur Orientierung im Straßenverkehr, sondern auch Ablehnung wie die Berichterstattung zeigt.
In der Tat stellt sich die Frage, ob Elektromobilität noch ein Gewinn für die Soundscape urbaner Räume darstellt, wenn mehrere Dutzend dieser Fahrzeuge in Hörweite sind.
Auch hier scheint noch ein großer Gestaltungsspielraum zu bestehen, in dem nicht nur der Corporate Sound einer Marke relevant sein sollte, sondern auch die mittel- und langfristigen Auswirkungen auf die Klanglandschaften unserer Lebensräume.
Es muss nicht immer ein Piepen sein. Auch wenn ein Piepen mitunter besser ist, als gar kein Sound.
Es bleibt zu hoffen, dass die Professionalisierung intentional gestalteter Klänge auch im Interface und Interaction Design fortschreitet und verantwortlich gestaltete Klänge bald so selbstverständlich sind, wie die oft hervorragenden visuellen Designs.
Cornelius Stiegler - 9. Nov, 10:43
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