Ein Jingle? Ein Soundlogo? Musik?
Was war noch mal gleich Marken?
- "Marken, Marken, Marken ... Logo, oder?"
Dieser Witz stammt nicht von Autor, sondern von Karsten Kilian, Markenberater, Referent und Wissenschaftler am Institut für Marketing der Universität St. Gallen – und Gründer des größten Markenportals im deutschsprachigen Raum: Markenlexikon.com.
Marken sind mehr als Logos. Das sollte inzwischen jedem klar sein, der sich mit Markenführung oder Markenkommunikation auseinandersetzt, wobei selbst renommierte Brandingunternehmen diesen Erkenntnisgewinn erst in den letzten 35 Jahren verorten. Hinter Marken sollten heute strategische Konzepte stehen, die die Stärken und die Identität des Unternehmens bzw. der Produkte als Substitut des "persönlich vertrauten Herstellers" aus der Zeit der Manufakturen glaubwürdig nach außen darstellen.
Ein Corporate Design ist die visuelle Abbildung dieser Identität mit der Hauptfunktion der Absenderkennzeichnung um Kaufentscheidungen abzukürzen, weil ein Hersteller bzw. Produkt, mit dem bestimmte Assoziationen (Qualitätserfahrungen, "Image" etc.) verbunden werden, wiedererkannt wird.
Doch ein gutes Corporate Design ist mehr als ein Logo. Typografie, Farbcodes, Layoutvorgaben und Anwendungsanpassungen für verschiedenste Medien gehören selbstverständlich dazu. Warum wird mit dem Begriff des Corporate Sound dann so unbeschwert umgegangen?
Ein Unternehmen, dass die Gestaltung von Telefonwarteschleifen anbietet (sicher eines der unterschätzteren akustischen Medien) versuchte PR mit dem Positivbeispiel NOKIA zu machen. Nokia sei ein gutes Beispiel für einen Corporate Sound, weil jeder auf der Welt das Soundlogo kenne. Trotzdem werde das Soundlogo nicht einmal bei diesem Unternehmen in der Telefonwarteschleife eingesetzt.
Nun gut, für einen Telefonwarteschleifenanbieter eine nachvollziehbare Argumentation und sicher wäre auch die Wiedererkennung gesichert, aber wäre es eine dem Medium, der Verwendungssituation und der Zielgruppe adäquate akustische Inszenierung der Marke?
Machen Sie den gedanklichen Selbsttest: Wie lange würden Sie es in einer Warteschleife aushalten, wenn dort im Endlosloop das Nokia Soundlogo laufen würde?
Ein kleiner Exkurs sei hier gestattet: Ein Bekannter meinte einmal, wenn neben Ihm in Bus oder Bahn ein Handy mit dem Nokia Klingelton klingele, würde ihm dies nicht nur die Marke in Erinnerung rufen, sondern auch die Message transportieren, dass der Typ nebenan anscheinend zu inkompetent ist, seinen Klingelton zu ändern. Oder ist die Menüführung zu kompliziert?
Recall ist eben doch nicht alles.
Zurück zum Thema: Ein Corporate Sound ist mehr als ein Soundlogo. Viel mehr. Der Begriff, so "vielfältig" er mitunter gebraucht wird, ist sehr klar definiert. Und das schon seit 1995. Erinnert man sich nicht? Das war vor dem Web 2.0, vor der Dotcom-Blase, vor der MATRIX...
Peter Philippe Weiss prägt mit einem Fachartikel im Buch der "Nicht-Klassiker der Unternehmenskommunikation" aus dem THEXIS Verlag (St. Gallen) 1995 den Terminus. Dort führt er Corporate Sound als "die Eingliederung des gesamten akustischen Auftritts des Unternehmens in den Zusammenhang der bestehenden Corporate Identity" ein.
Die Orchestrierung des GESAMTEN akustischen Auftritts eines Unternehmens nach der Corporate Identity – vom Werbespot über die Website, die Telefonwarteschleife bis zum Sound am POS und am Messestand: eine kohärente Markeninszenierung.
Mit diesem Anspruch wird auch sehr schnell deutlich, dass diese vielfältigen Anwendungen nicht von einem Soundlogo allein erfüllt werden können, sondern spezialisierte Soundscapes für Messen und Shops, Telefon und Internet notwendig sind. Diese gehören auch ganz selbstverständlich zu einem Corporate Sound, wenn man den Begriff wie oben definiert versteht. Eine modulare Konzeption drängt sich auf, auch wenn dies den Realisatoren überlassen bleiben kann. In jedem Fall müssen alle für das Unternehmen relevanten akustischen Touchpoints mit den Stakeholdern bedient werden können, und das mit allen Mitteln des „Sound“.
Sound. Klang. Die akustische Welt umfasst alles hörbare, ob künstlich oder natürlich erzeugt, ob geräuschhaft oder musikalisch. Können Geräusche zu einem Corporate Sound gehören?
Gegenfrage: Wie würde es Ihnen gefallen, wenn ihr Blinker statt zu klicken ein Musikstück abspielen würde? Die Automobilindustrie hat in der Produktentwicklung schon lange erkannt, dass Geräusche intentional designt werden können um Markenbotschaften (Sicherheitsgefühl, Fertigungsqualität etc.) zu transportieren. Die Umsetzung in der Markenkommunikation, etwa eine Klangfarbe mit Markenfit – nun das ist ein anderes Thema.
Musik ist jedoch mitnichten trivial. Eine zur Marke passende Musikauswahl kann dezent eingesetzt gerade am POS für eine gute Markeninszenierung sorgen. Doch auch hier sollte ein strategischer Gedanke und nicht der Musikgeschmack des Marketingchefs oder die „geschätzten Präferenzen der Zielgruppe“ ausschlaggebend sein. Hintergrundmusik ist nicht automatisch eine Markeninszenierung, von Muzak ganz zu schweigen.
Und das Fazit diese feurigen Plädoyers? Nicht alles was ein Logo hat, ist eine Marke. Nicht alles was ein Jingle hat, hat einen Corporate Sound. Eine präzisere Verwendung aller dieser Begriffe wäre höchst wünschenswert.
Und falls noch Fragen zur begrifflichen Einordnung offen geblieben sind, freue ich mich sehr auf Kommentare.
Cornelius Stiegler - 26. Mär, 19:04
2 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
Karlheinz Illner (Gast) - 1. Apr, 13:30
Corporate Sound? Sound Branding?
Der Post macht klar deutlich, dass akustische Markenführung viel mehr als ein Sound Logo ist. Doch alleine die TV Werbelandschaft zeigt immer wieder wie schlecht dieses Thema verstanden wird. Aktuellstes Beispiel ist für mich die Targo Bank. Mit großem Aufwand wird das visuelle Design aufbereitet und im akustischen Bereich reicht es nur für ein schwaches, austauschbares Sound Logo am Ende des TV Spots - ist ihnen da das Budget oder die Kreativität ausgegangen? Professionelles Sound Branding hört sich anders an.
Mehr zum Thema auch auf unserem Sound Branding Blog: www.soundbrandingblog.wordpress.com
Mehr zum Thema auch auf unserem Sound Branding Blog: www.soundbrandingblog.wordpress.com
Cornelius Stiegler - 6. Apr, 11:50
Targo Bank (ehemals CitiBank)
Vielen Dank für den Kommentar Herr Illner! In der Tat, die Einzigartigkeit des Sound Logos der neuen Targo Bank ist diskussionswürdig. Zur Veranschaulichung hier der Werbespot zum Launch des neuen Brands:
Interessant auch: Die 3D-Fassaden-Show zur Einführung der neuen Firmenmarke am Hauptsitz. Hier wurden keine Kosten gescheut und visuell viele Fassaden zum Einsturz gebracht. Die Frage, welchen Markenwert dieser visuell beeindruckende Effekt darstellen soll, muss man bei einer Bank auch fragen dürfen. Zumal, wenn es die ehemalige CitiBank ist, die durch Verluste von Anlegern denen man Lehmann Brothers Papiere verkauft hatte, in der Presse war.
Interessanter Weise wird auch ganz gezielt Sound visuell inszeniert. Es werden die Klöppel eines Xylophons und eine Hand am Klavier gezeigt, die den Sound der Show quasi live "spielen".
Auf der akustischen Ebene hört man hier zunächst den gleichen Sound wie im Video, dessen Melodielinie sich auch im Soundlogo findet. Dieses Thema greift der Sound der Show immer wieder auf.
Über den Markenfit lässt sich streiten. Eine gewisse Wiedererkennbarkeit zum TV-Spot lässt sich nicht leugnen. Ob die drei Klaviertöne die beste akustische Ausdrucksform für ein (einfaches ?) "neues Zeichen" für Banking sind – auch das kann man diskutieren. Die Abgrenzung zu anderen Banken, hier hätte man mehr tun können.
Doch welche Markenwerte und Botschaften will man inszenieren, wenn ein Brand sich erklärtermaßen auf die "Zeichenhaftigkeit" seiner Marke zurückzieht?
Aus Markensicht wird es spannend sein zu beobachten, wie sich diese Marke weiterentwickelt und wie sie angenommen wird.
Interessant auch: Die 3D-Fassaden-Show zur Einführung der neuen Firmenmarke am Hauptsitz. Hier wurden keine Kosten gescheut und visuell viele Fassaden zum Einsturz gebracht. Die Frage, welchen Markenwert dieser visuell beeindruckende Effekt darstellen soll, muss man bei einer Bank auch fragen dürfen. Zumal, wenn es die ehemalige CitiBank ist, die durch Verluste von Anlegern denen man Lehmann Brothers Papiere verkauft hatte, in der Presse war.
Interessanter Weise wird auch ganz gezielt Sound visuell inszeniert. Es werden die Klöppel eines Xylophons und eine Hand am Klavier gezeigt, die den Sound der Show quasi live "spielen".
Auf der akustischen Ebene hört man hier zunächst den gleichen Sound wie im Video, dessen Melodielinie sich auch im Soundlogo findet. Dieses Thema greift der Sound der Show immer wieder auf.
Über den Markenfit lässt sich streiten. Eine gewisse Wiedererkennbarkeit zum TV-Spot lässt sich nicht leugnen. Ob die drei Klaviertöne die beste akustische Ausdrucksform für ein (einfaches ?) "neues Zeichen" für Banking sind – auch das kann man diskutieren. Die Abgrenzung zu anderen Banken, hier hätte man mehr tun können.
Doch welche Markenwerte und Botschaften will man inszenieren, wenn ein Brand sich erklärtermaßen auf die "Zeichenhaftigkeit" seiner Marke zurückzieht?
Aus Markensicht wird es spannend sein zu beobachten, wie sich diese Marke weiterentwickelt und wie sie angenommen wird.
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