Dienstag, 28. Februar 2012


The Sound of God

Die evangelische Kirche taucht eher selten auf den Startseiten von Marketingportalen auf. Doch der Landeskirche in Baden ist genau das gelungen. Am 27. Februar stellten sie die "Kreation des Tages" auf W&V.de.
Anlass der Medienaufmerksamkeit ist ein Video zum Jahr der Kirchenmusik 2012. Aus genervtem Hupen wird Händel's Messias:



Eine nette Idee, den Slogan "Gottesklang ist überall" in einer Alltagssituation zu inszenieren. Auch die akustische Umsetzung ist zunächst authentisch. Bis zur Sekunde 35.


Live oder nicht live – das ist hier die Frage

In dem Moment, in dem sich der Rocker von seinem Trike erhebt, fährt die Soundscape der Straße deutlich zurück. Der dann einsetzende Chor – den man sich auch ein wenig enthusiastischer hätte wünschen können – klingt nicht mehr authentisch. Obwohl er weitgehend lippensynchron zu den gezeigten Bildern ist, klingt er nicht wirklich "live" und "auf der Straße gesungen". Auch der Hallraum der Situation auf der Straße und der Choraufnahme stimmen nicht überein. Das mehrstimmige Bläserensemble tut ein Übriges, wohingegen die improvisierte Percussion noch realistisch hätte sein können.

Warum dieser Wechsel in Dramaturgie und Tonart? Wäre es nicht möglich gewesen, die Huptöne der Autos in der Tonhöhe so anzupassen, dass sie den spontanen Chor hätten begleiten können? Hätte man den Chor nicht in einer live-Situation aufnehmen und das Sound Design des Stadtklangs darin einbetten können? Man hätte, wir hätten.


"When to perfect, Lieber Gott böse."

Man soll gute Ansätze nicht mit übermäßiger Kritik im Keim ersticken. Und Perfektion ist bekanntlich das Privileg einer höheren Macht – danach zu Streben macht ungnädig. So ist auch diese Kritik eher als Anregung zu verstehen, denn als Abkanzelung. Auch hier läge eben noch enormes Potential im Sound und im Sound Branding. Denn aus der Sicht des Corporate Sounds ist einmal mehr anzumerken, dass die Marke selbstverständlich ein visuelles Logo besitzt, aber weder ein Soundlogo noch ein anderes akustisches Markensymbol.

Das Halleluja aus Händel's Messias als Markenzeichen für sich einnehmen zu können scheint eher schwierig. Dafür ist die Verbreitung zu groß und die Exklusivität praktisch nicht durchsetzbar. Nicht umsonst ist dieses Musikstück ob seiner großen Bekanntheit bereits Objekt zahlreicher Flashmobs geworden:



Aber der Kirche geht es ja auch gar nicht um Exklusivität. Es geht um Gottesklang überall. Das ist zunächst einmal zu loben. Ein Publikumsliebling des Kirchenmusikjahrs könnte der Messias allemal werden. Ein Hit des gesungenen Gotteslobes ist er schon heute.

Wann haben Sie eigentlich das letzte Mal den Messias aus vollem Halse mitgesungen? Wird es nicht wieder einmal Zeit, vielleicht in 2012?

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