Bereit für ein kleines Experiment? Gut, dann fühlen Sie doch bitte einmal Innovativität... Und jetzt bitte Globalität. Nicht nur vorstellen, sondern tief emotional empfinden. Das fällt Ihnen schwer? So geht es mir auch. Ich habe kein Problem damit, Fröhlichkeit oder Geborgenheit zu empfinden, aber Konzepte wie Innovativität oder Globalität gehören wohl kaum zu unserem emotionalen Standardvokabular.
Dennoch verspricht die multisensorische Markenführung nichts anderes als genau das: Dass zentrale Markenwerte wie Innovativität, Globalität, Professionalität, Kundenorientierung und so fort ohne größere Probleme in Musik und Sound verwandelbar sind. Dieses Versprechen bedient sich des Übersetzungsparadigmas des Audio Brandings und behauptet, dass Unternehmens- oder Markenwerte in entsprechende Klangelemente übersetzbar sind. Natürlich nicht vollständig, immer bleibt die ein oder andere Aussagenuance "lost in translation". Aber prinzipiell besteht ein Abbildungsverhältnis zwischen der Werte- und der Klangebene. Die folgende Abbildung illustriert dieses Paradigma:
Die dahinter liegende Idee geht davon aus, dass durch das Audio Branding prinzipiell dieselben Werte, die bislang in der visuellen Dimension (also Bilder, Farben, Text, Schrift etc.) abgebildet wurden, nun auch in der klanglichen Dimension dargestellt werden - mit dem Vorteil eines unmittelbareren Zugangs zu den
Emotionen der Kunden und Konsumenten. Dies ist jedoch nur für einen Teil der Werte möglich. Nicht alle Werte sind in demselben Maße "emotionalisierbar" und infolgedessen auch nicht in demselben Maße geeignet für die Aufnahme in der klanglichen Markenwelt.
Der
Standard Approach des Audio Branding verfährt dabei so, dass nach einer Analyse der auditiv zu vermittelnden Markenwerte nach musikalischen Entsprechungen gesucht werden. In diesem Übersetzungsprozess gibt es für einige Werte eingebürgerte Entsprechungen hinsichtlich Rhythmus, Instrumentation und Themen. In anderen Fällen - und hierzu gehören die oben angesprochenen Markenwerte wie Globalität - ist diese Entsprechung eine kreative Neuschöpfung des Komponisten oder Sounddesigners.
Im Anschluss daran kommt die Marktforschung zum Zug und überprüft, ob die angenommenen Entsprechungen (die Pfeile in der obigen Abbildung) auf in der Realität von der Zielgruppe auf dieselbe Weise entschlüsselt werden können. Doch diese Überprüfung fordert in erster Linie eine rationale (linkshirnische) Zuordnungsleistung und kann kaum überprüfen, ob ein Klangelement tatsächlich die Emotion "Globalität" auslösen kann. Das Dilemma besteht darin, dass gerade in dieser Emotionalität der eigentliche Mehrwert des Audio Branding im Vergleich mit visuellen und textlichen Markenstrategien liegt.
Eine Alternative liegt in dem "Eisberg-Paradigm" des Audio Branding:
In diesem Modell lässt sich zwischen einer nur teilweise bewussten emotionalen Ebene, die vor allem durch klangliche Elemente erreicht werden kann, und einer bewussten, primär visuell oder textlich angesprochenen Ebene unterscheiden. Der Gedanke einer
exakten Entsprechung zwischen Markenwerten und klanglichen Elementen wird hier aufgegeben, sondern die Klangebene sorgt hier für den emotionalen Auftrieb der Marke. Dabei können zuvor analysierte Markenwerte zum Tragen kommen, müssen aber nicht eins-zu-eins übernommen werden.
Die Aufgabe von Klang und Musik liegt hier vor allem in der emotionalen Unterstützung der rational dekodierbaren Markenwerte. Dies ist aber nur auf den ersten Blick eine bescheidenere Beschreibung, denn die potentiellen Auftriebskräfte einer Marke, die sich aus einer richtigen Audiostrategie ergeben können, dürfen keinesfalls unterschätzt werden. Auf die Erfolge der Klanglogos von Telekom, Audi und Intel muss man wohl nicht extra hinweisen, oder?
Vergleiche dazu auch:
Tags: corporate sound, audio branding, sound design, marke, theorie, klang, musik.