Die Themen Corporate Sound und Sound Branding ziehen weite Kreise. Nicht nur anlässlich der prägenden Vuvuzela-Klange der Fußball WM wurde über Sound diskutiert, auch in anderen Formen und Medien wächst das Bewußtsein für die Wichtigkeit des Klangs.
Und so freut sich der Autor, dass sich auch die EIGENART – das Studierendenmagazin der Universität der Künste Berlin, das vom Pro Campus-Presse Award 2009 zum zweitbesten deutschsprachigen Studierendenmagazin gewählt wurde – für Sound interessiert.
In der aktuellen fünfundsiebzigsten Ausgabe des Magazins mit dem Titel "ZUGANG" erschien nun ein Artikel des Autors zur Macht, die Klänge auf uns ausüben können, und wie Melodien und Töne zu Informationsträgern in Marketing und Werbung genutzt werden können.
"The Power of Sound – Wenn sich Melodien tief in unser Gehirn graben" ist ab S. 20 in der aktuellen EIGENART #75 und hier auch online nach zu lesen.
Ich freue mich auf Kommentare, Kritiken und Diskussionen.
Die Fußball Weltmeisterschaft in Südafrika ist gerade erst ein paar Tage alt, und doch hat sich das akustische Markenzeichen schon klar etabliert: Der Vuvuzela-Sound.
Der Klang-Teppich der Tröte, die bis zu 120 db Lautstärke erreichen soll, ist das unüberhörbare Erkennungszeichen aller WM-Spielübertragung in diesen Tagen. Und die Wiedererkennung des akustischen "Wespenschwarms" funktioniert hervorragend: Wann immer dieser Klang irgendwo zu hören ist, wird Fußball geguckt – ob beim Nachbarn oder beim Public Viewing.
Die Kritik von Fans und Fersehsendern, dass der Klang alles verschlucke, was bisher als Klangatmosphäre eines Fußballspiels galt, scheint zunächst berechtigt: Fan-Chöre, Torjubel oder Pfeiffkonzerte sind durch den Dauerton der Vuvuzelas deutlich weniger zu hören. Die Begeisterung der Zuschauer im Stadion bleibt aber auch akustisch spürbar, selbst beim ersten Treffer des Eröffnungsspiels von Gastgeber Südafrika, bei dem der Vuvuzela Pegel deutlich höher war, als beispielweise beim ersten Sieg der deutschen Elf.
Inzwischen wird über ein Verbot der Vuvuzelas diskutiert, doch es scheint unwahrscheinlich, dass der neue Klang kurzfristig wieder aus den WM Stadien verschwindet. In jedem Fall ist der Sound in wenigen Tagen zum globalen akustischen Symbol der WM 2010 geworden. Der "Corporate Sound" der aktuellen Weltmeisterschaft dürfte damit zu einem der am schnellsten verbreiteten (und gelernten) Sound Brandings der Welt gehören.
Ob die Vuvuzela langfristig zum festen Begleiter von Fußballturnieren wird – so wie die "La Ola Welle" nach der WM 1986 in Mexiko – muss abgewartet werden. Bis dahin ergibt sich für alle anderen auch eine neue Marktlücke: Als "Vuvu-Stop" gelabelte Oropax sollen der neue Verkaufsschlager in Südafrika sein.
(Update: Da das Video vom ersten Tor der WM 2010 auf Youtube entfernt wurde, ist oben nun die Rezension von Delling und Netzer eingefügt.)
Zugegeben, vorerst scheint diese Meldung (Quelle: Horizont.net)
keinen Neuigkeitswert zu besitzen, wird doch die deutsche Automarke mit dem markanten Herzpochen am Ende der Werbespots schon lange als ein Vorzeigebeispiel für Sound Branding gehandelt. Und doch hat die oben genannt Schlagzeile Neuigkeitswert, denn ein Corporate Sound, also ein strategisch orchestrierter Markenauftritt, der auf einem einheitlichen Kern, einer Sound DNA basiert – eben das hatte Audi bisher nicht.
Man beschränkte sich auf ein Soundlogo. Ein sehr gut funktionierendes akustisches Wiedererkennungszeichen, weil es sehr konsequent verwendet wurde und sich in seiner Anmutung (stilisierter Herzschlag statt 3-Ton Melodiefolge) gut von den Mitbewerbern absetzt. So wurde es zu genau dem, was ein Markenzeichen sein soll: Ein symbolischer Verweis auf den Absender, der durch konsequente Verwendung gelernt werden muss, dann aber wie das visuelle Logo oder der Unternehmensname, den Absender ins Gedächtnis ruft, wenn er gehört wird.
Folgerichtig wurde dieses Element auch nicht verworfen, sondern nur in seiner Anmutung an das Facelift des visuellen Corporate Design angepasst. Die nun echten Herztöne kommen „schneller und prägnanter“, sind aber im Rhythmus und in der restlichen Gestaltung klar genug, um eine selbstähnliche Reproduktion des Markenzeichens erkennen zu lassen. Zusammen mit dem neuen visuellen Spotende inklusive Blendeffekt und dreidimensionalem Logo, ist das Facelift der Markenkommunikation nun komplett. Ob sich auch der Neuwagenduft der Ingolstädter Wagen einer Frischzellenkur unterziehen musste ist nicht bekannt; konsequent wäre es.
Das eigentlich Neue jedoch ist nicht das überarbeitete Logo. Es wurde in eineinhalb Jahren – was zugegeben eine relativ langer aber keineswegs außergewöhnlicher Zeitraum für ein Corporate Sound Projekt sein muss – eine komplette Audi Sound CI, also eine akustische DNA für den Autobauer entwickelt. "Die Marke Audi wird visuell sehr stringent geführt, aber bei Sound und Akustik war das bisher noch weniger der Fall", so Sven Schuwirth, Marketing- und Vertriebschef des Autobauers bei Horizont. Ein System an klaren Vorgaben wie für das visuelle Design, existierte für den Sound noch nicht – sondern eben nur das Soundlogo.
Nun gibt es einen Baukasten von Instrumenten, „natürlichen“ Musikinstrumenten wie einem Flügel, aber auch neue, maßgeschneiderte Sounds: zum Beispiel ein rhythmisches Element, das aus dem Sound eines Audi A3-Fensterhebers, Blinkers und Türgriffs komponiert wurde.
Auch einzelne Motive, Rhythmusfolgen und Fahrzeuggeräusche befinden sich im Paket: kurzum eine modulare Toolbox mit deren Hilfe Kreative auf der ganzen Welt den typischen Audi-Sound erzeugen können, und das über alle Medien hinweg: vom TV Spot bis zur Telefonansage. Im oben gezeigten TV-Spot des Audi A5 Sportback wurde der neue Sound schon eingesetzt.
Und worauf basiert das Ganze? Der Satz des Audi-Marketingchefs dürfte allen Soundverantwortlichen, die seit langem die strategische Konzeption und den Markenfit eines Sound Branding beschwören, Balsam in den Ohren sein: "Wir haben alle Soundelemente unmittelbar von unseren Markenwerten abgeleitet und der Marke Instrumente, Klangfarben, Tonabfolgen und Motive zugeschrieben", erklärt Schuwirth.
Was bleibt zu sagen? Die hiesigen Branchenvertreter ergehen sich auch sogleich im Lob über die gelungene Umsetzung. Und in der Tat, Audi hat seine Hausaufgaben gemacht. Die Hoffnung keimt, dass das positive Beispiel Schule macht und weitere Unternehmen das Potential eines strategischen Corporate Sounds gegenüber mehr oder weniger intentional eingesetzter Musik in der Werbung oder einem bloßen Soundlogo erkennen.
Es sind spannende Zeiten, in einer Branche, die sich zunehmend professionalisiert. Und vielleicht blicken wir schon bald lächelnd auf die zögerlichen Anfänge eines neuen Marketingsinstruments zurück, das inzwischen selbstverständlich geworden sind.
Die Inhalte dieses Weblogs ab 2009 stammen von Cornelius Stiegler.
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