Freitag, 9. März 2012


Der Sound eines Abgangs

Südafrika, Fußball, Weltmeister werden! Das sind oft die ersten Assoziationen, die mit dem Klang einer Vuvuzela verbunden werden. Zwar war die Vuvuzela nicht Teil des offiziellen Corporate Sounds der Fußball WM – den hatte unter anderem Coca Cola mitgeprägt – doch als akustisches Symbol hatte die ohrenbetäubende Fan-Tröte sich schnell etabliert. So wirkt sie bis heute als auditiver Gedächtnisanker.


Wulff und die Vuvuzelas


Dass sich der vielzitierte, akustische Bienenschwarm auch als Protestinstrument eignet, bekamen die Gäste des Großen Zapfenstreichs zur Verabschiedung von Ex-Bundespräsident Wulff zu hören.
Ganz so euphorisch wie in den Stadien der Fifa WM 2010 ist es wohl nicht zugegangen, aber ähnlich lautstark. Die Veranstaltung, die den mehr oder weniger ehrenvollen Abgang Wulffs auch akustisch untermalen sollte, wurde hörbar gestört.



Die Veranstaltung in ganzer Länge hören und sehen kann man hier.

Selten war der Protest gegen einen Bundespräsidenten so deutlich zu hören. Und das lag nicht nur an der Instrumentalisierung der Vuvuzela. Der von einem einzelnen Blogger initiierte Protest fand binnen kürzester Zeit hunderte Unterstützer – eine Verbreitungsgeschwindigkeit, die auch den digitalen sozialen Medien zuzuschreiben ist.


Klassik, Jazz und Kirchenlied

Die Liedauswahl des ehemaligen Staatsoberhaupts hingegen kann man als akustisches Pendant zu der von ihm viel gepriesenen kulturellen Vielfalt interpretieren. Neben dem klassischen Marsch (der Alexandermarsch ist der Divisionsmarsch der 1. Panzerdivision in Hannover) wähle Wulff mit Beethovens „Ode an die Freude“ ein sehr positiv besetzes Stück. Die Utopie eines Europa, in dem alle Menschen Brüder werden, ist nicht nur in seiner Melodieführung und Orchestrierung dramatisch, der Titel wird auch allgemein mit feierlichen Veranstaltungen und einer positiv aufgeladenen Atmosphäre assoziiert. Sollte hier, ähnlich der Konditionierungs-Mechanik im Sound Branding, der akustische Eindruck auf das Event und die Marke Wulff abfärben?

Was die beiden übrigen Titel betrifft (es wurden nicht nur die üblichen drei, sondern vier Musikwünsche gespielt) so ist ein positiver Ausblick und der Wunsch nach einer besseren Zukunft unüberhörbar.
Somewhere over the rainbow – hier keinen sehnsuchtsvollen Wunsch des ehemaligen Amtsträgers hineinzudeuten, fällt schwer.
Auch das von Wulff gewählte Kirchenlied schlägt diesen Ton an. Kein Choral, sondern ein moderner Lobpreis-Song erzählt von einer Welt in der „Menschen sich vergessen und neu beginnen, ganz neu, da berühren sich Himmel und Erde, dass Frieden werde unter uns".
Ein hoffnungsvoller Wunsch. Man möchte ihn ihm gewähren.


Was bleibt?

Es gibt Konzerte, von denen man noch Jahre danach mit strahlenden Augen erzählt. Es gibt Veranstaltungen, die durch ein akustisches Element – Musik, Sound Design, eine Stimme, eine Klanginstallation – einen eignen Charakter erhalten. Diese akustische Inszenierung nutzen Marken im Rahmen ihres Corporate Sounds Konzepts nicht nur in Flagshipstores, sondern auch auf Messen, Ausstellungen und bei Verkaufspräsentationen. Wie hat Wulff sie genutzt?

Vom Stabsmusikkorps der Bundeswehr erwartet man freilich weder swingenden Jazz, noch christlichen Pop. Die Performance war in diesem Sinne schon beinahe gefährlich gut für die Authentizität der Marke Stabsmusikkorps. Doch der akustische Gesamteindruck der Feierlichkeit hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack. So sehr, dass seitens des Bundespräsidialamtes nun Gegenmaßnahmen für die Zukunft erwogen werden.

In jedem Fall hat sich der Protest deutlich hörbar in das Gedächtnis der Medien gebrannt. So haben auch die Kritiker einen akustischen Gedächtnisanker geprägt, der uns sicherlich spätestens beim nächsten Zapfenstreich eines in Ungnade gefallenen Politikers erneut zu Ohren kommen wird.

Dienstag, 28. Februar 2012


The Sound of God

Die evangelische Kirche taucht eher selten auf den Startseiten von Marketingportalen auf. Doch der Landeskirche in Baden ist genau das gelungen. Am 27. Februar stellten sie die "Kreation des Tages" auf W&V.de.
Anlass der Medienaufmerksamkeit ist ein Video zum Jahr der Kirchenmusik 2012. Aus genervtem Hupen wird Händel's Messias:



Eine nette Idee, den Slogan "Gottesklang ist überall" in einer Alltagssituation zu inszenieren. Auch die akustische Umsetzung ist zunächst authentisch. Bis zur Sekunde 35.


Live oder nicht live – das ist hier die Frage

In dem Moment, in dem sich der Rocker von seinem Trike erhebt, fährt die Soundscape der Straße deutlich zurück. Der dann einsetzende Chor – den man sich auch ein wenig enthusiastischer hätte wünschen können – klingt nicht mehr authentisch. Obwohl er weitgehend lippensynchron zu den gezeigten Bildern ist, klingt er nicht wirklich "live" und "auf der Straße gesungen". Auch der Hallraum der Situation auf der Straße und der Choraufnahme stimmen nicht überein. Das mehrstimmige Bläserensemble tut ein Übriges, wohingegen die improvisierte Percussion noch realistisch hätte sein können.

Warum dieser Wechsel in Dramaturgie und Tonart? Wäre es nicht möglich gewesen, die Huptöne der Autos in der Tonhöhe so anzupassen, dass sie den spontanen Chor hätten begleiten können? Hätte man den Chor nicht in einer live-Situation aufnehmen und das Sound Design des Stadtklangs darin einbetten können? Man hätte, wir hätten.


"When to perfect, Lieber Gott böse."

Man soll gute Ansätze nicht mit übermäßiger Kritik im Keim ersticken. Und Perfektion ist bekanntlich das Privileg einer höheren Macht – danach zu Streben macht ungnädig. So ist auch diese Kritik eher als Anregung zu verstehen, denn als Abkanzelung. Auch hier läge eben noch enormes Potential im Sound und im Sound Branding. Denn aus der Sicht des Corporate Sounds ist einmal mehr anzumerken, dass die Marke selbstverständlich ein visuelles Logo besitzt, aber weder ein Soundlogo noch ein anderes akustisches Markensymbol.

Das Halleluja aus Händel's Messias als Markenzeichen für sich einnehmen zu können scheint eher schwierig. Dafür ist die Verbreitung zu groß und die Exklusivität praktisch nicht durchsetzbar. Nicht umsonst ist dieses Musikstück ob seiner großen Bekanntheit bereits Objekt zahlreicher Flashmobs geworden:



Aber der Kirche geht es ja auch gar nicht um Exklusivität. Es geht um Gottesklang überall. Das ist zunächst einmal zu loben. Ein Publikumsliebling des Kirchenmusikjahrs könnte der Messias allemal werden. Ein Hit des gesungenen Gotteslobes ist er schon heute.

Wann haben Sie eigentlich das letzte Mal den Messias aus vollem Halse mitgesungen? Wird es nicht wieder einmal Zeit, vielleicht in 2012?

Mittwoch, 22. Februar 2012


Wer ist die "Voice of Germany"?

Die "beste Stimme Deutschlands" trägt keinen typisch deutschen Namen. Sie gehört der Sängerin Ivy Quainoo.
Sie sieht auch nicht typisch deutsch aus. Die ghanaische Abstammung ist der gebürtigen Berlinerin deutlich anzusehen. Sie sang auch nicht auf deutsch. Eine Sprache, die man von der Stimme Deutschlands durchaus hätte erwarten können. Aber wir schweifen ab, es ging ja um die Stimme. Und die ist immerhin Gewinnerin der Show "The Voice of Germany".



(Hinweis: Die Youtube-Einbettung des Siegersong mit dem bezeichnenden Titel "Do you like what you see" ist derzeit unterbunden.)


Die "National Voice" ?

Sucht man eine Corporate Voice für ein Unternehmen oder eine Marke orientiert man sich an Werten und Vorgaben der Corporate Identity. Entsprechend der intendierten Assoziationen in den Zielgruppen wird eine Stimme gecastet, die diese Wirkungen erzielen kann. Diese wird dann kontinuierlich zusammen mit anderen Markenzeichen präsentiert, um das Erlernen der symbolischen Bedeutung als akustischer Stellvertreter der Marke zu initiieren.
Die Stimme eines Landes lässt sich nur ungleich schwerer bestimmen. Sie könnte sich vor allem retrospektiv aus der Akzeptanz von externen und internen Zielgruppen ergeben. Doch welche Mechanismen legitimieren eine National Voice?

Frau Quainoo hat die Show gewonnen. Doch ist sie DIE Stimme Deutschlands? Unabhängig davon, was in der Show gesucht (und gefunden) wurde – und die Vermutung liegt nahe, dass es dabei nicht um eine Stimme ging, die Deutschland repräsentieren kann, sondern um den in Deutschland lebenden Künstler mit den besten Chancen am Markt – gäbe es nicht noch andere Stimmen, die einen Anspruch gelten machen könnten?
Anlass einer (nicht ganz ernst gemeinten) Reflexion:


Unser Star für Baku

Da wäre zunächst unser nur wenige Medienaugenblicke später gekürte Star für Baku. Roman Lob wird die Bundesrepublik immerhin auf einem internationalen Musikwettbewerb vertreten. Das europäische Publikum wird zu recht annehmen, dass er unser Land repräsentieren kann. Immerhin haben wir – das Medienvolk – ihn ausgesucht, und nicht Ivy. Oder hatten wir gar nicht die Wahl?


Die Bundeskanzlerin

Bei ihr hatten wir auf jeden Fall die Wahl. Die Bundeskanzlerin ist zwar auch nicht direkt vom Volk gewählt, aber im Grunde war klar, wen man mit der Zweitstimme 2005 und 2009 ins Amt wählte. Ihre Stimme ist seit dem durchaus präsent. Medial in aller Welt und rein akustisch mit den wichtigsten Entscheidern anderer Nationen. Dieser akustischen Signatur wird in jedem Fall die Assoziation von Deutschland zugeschrieben.


Der (Ex-) Bundespräsident (in spe)

Die Stimme des Bundespräsidenten ist qua Amtes die Repräsentation Deutschlands. Man mag einwenden, dass das Amt gerade schweigt, aber auch der zukünftige Bundespräsident wird das Land hauptberuflich vertreten. Optisch wie akustisch.
Könnte Christian Wulff rückblickend die Stimme Deutschlands gewesen sein? Wie stehen die Chancen für seinen wahrscheinlichsten Nachfolger oder für frühere Staatsoberhäupter?


Otto von Bismarck

Die Stimme des Eisernen Kanzlers war lange "verschollen". Erst kürzlich wurde die erste Tonaufnahme mit seiner Stimme wiederentdeckt und restauriert. Seine Politik hat Deutschland und Europa entscheidend geprägt. Ist er im Rückblick die Stimme, die für Deutschland stehen kann?


Das Voting

Eine solche Kandidatenauswahl ruft förmlich nach der Stimme des Volkes. Daher möchte ich Sie genau dazu einladen. Wer ist Ihre Stimme Deutschlands? Stimmen Sie hier bei XING ab.

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